Internationale Musikbrücke und Kultur Verein

23.10. Ensemble PHACE . Agata Zubel


Jeder Klang, jeder Hauch ist schon Theater

Ensemble PHACE . Agata Zubel

In den letzten Jahrzehnten hat das Musiktheater auf unzählige, kreative und oft überraschende Weise die Opernhäuser verlassen und sich neue Orte und Formen gesucht. Es hat sich in die Öffentlichkeit gewagt, hat ehemals klassische Konzertbühnen erobert und Orte von denen man niemals dachte, dass dort „Oper“ stattfinden könnte. Ebenso vielfältig haben sich die Dimensionen und Formate entwickelt. Es gab Reduktion genauso wie Expansion. Die MusikerInnen begannen zu schauspielern und auch die Musik selbst erfuhr neue Arten des Erzählens und „Spielens“. Dabei verschwammen auch die Grenzen von „Konzertmusik“ und Musiktheater immer mehr. In diesem Konzert wollen wir bewusst kammermusikalische Werke zeigen, die wenngleich keine dezidiert musiktheatralen Werke sind, eine solche Geste innehaben.

Shuya Xu, einer der relevantesten chinesischen Komponisten unserer Zeit und auch ästhetisch und kulturell ein wichtiger und feinsinniger Brückenbauer zwischen Ost und West. Er sammelte erste kompositorische Erfahrung im China der 70er, bevor er nach Europa kam und hier seine Musiksprache weiterentwickelte. Insbesondere auch in seinen Opern, die regelmäßig an renommierten europäischen Häusern aufgeführt werden, zeigt er gekonnt wie man künstlerisch spannend und reizvoll chinesische und europäische Kontexte verbinden kann. In seinen kammermusikalischen Werken lotet er immer wieder neue Ideen in kleinerem Rahmen aus und arbeitet an seinen Texturen. Dabei ist immer auch eine theatrale Geste spürbar, Les feuilles de l’automne (2015) ist ein wunderbares Beispiel dafür.

Bei Georges Aperghis ist jeder Ton Theater. Ob nun szenische Aktionen Teil des Stückes sind oder nicht, eine perfomative, erzählerische und nach Bewegung rufende Ebene durchzieht all sein Schaffen. In La Nuit en tête (2000), der Nacht im Kopf bzw. in Gedanken, zeichnet Aperghis ein ganz eigenes Bild der Nacht, unklar, manchmal etwas verstörend und mikrointervallisch verzogen. In seinen Worten, „jeux d'enfants, processions nocturnes, tats d'âme furtifs,…“.

Ohne Übertreibung kann man ihn als einen der wichtigsten Musiktheaterschöpfer des 20. Jhdts. bezeichnen. Nie müde werdend neue Ideen und zu formulieren und in gekonnter Weise auf den Punkt zu bringen, stets mit einer ganz eigene Sprache und Klanglichkeit.

Mirela Ivičević kennt man in Graz, die 1980 geborene Komponistin hat hier studiert und unter anderem als Mitbegründerin von UNSAFE+SOUNDS und dem The Black Page Orchestra maßgebliche Impulse für eine neue, multimedial und performativ denkende Musikszene gesetzt. In ihren Werken ist sie künstlerisch im Hier und Jetzt – sie macht Gesellschaft zu ihrem Thema, sie sampelt, sie baut Netze von Referenzen, sie komponiert multimedial.

Case Black (2016)

Raw strokes 
Rawly assembled randomnesses
Miraculously co-existing
Working towards the same goal
*it's easy if you try
(Mirela Ivičević)

Der Titel „membra disiecta (2016/2017) (Latein) bedeutet in etwa „versprengte Glieder“ und ist terminus technicus aus der Kuntgeschichte bzw. der Bücher- und Handschriftenkunde für aus ihrer ursprünglichen organischen Ordnung gerissenen Teile eines Ganzen. Der Komponist Reinhold Schinwald schreibt selbst: „Der dem Stück zugrunde liegende Text basiert auf den Mythen um Isis und Osiris und beschreibt einen Prozess des Erinnerns, Suchens, Auflesens und Benennens von Körperfragmenten.“ Er bezieht sich dabei auf den Ägyptologen Jan Assmann und dessen Studien an ägyptischen Todesritualen, bei denen der Tote ununterbrochen angeredet wird. Durch diesen „Sprachstrom“ (Schinwald) sollen die sinnbildlich nun versprengten Glieder wieder zusammengeführt werden. Sprache kommt hier von einem voraufgenommenen Tonband. Sprachaufnahmen spielen auch in den Musiktheaterwerken Schinwalds eine Rolle. Mehrmals bildeten sie den Ausgangspunkt eines Werkes. Durch detaillierte Analyse und instrumentale Überformung arbeitet er am Klang des Sprechens und findet so neue Zugänge zum Komponieren.

Agata Zubel ist Komponistin und Sängerin, Stimmkünstlerin.

In NOT I (2010) ist sie beides zugleich. In Samuel Beckett’s gleichnamigen Stück bricht eine Frau ihr Schweigen, nach Jahrzehnten der Stille. So beginnt auch Zubel das Stück. Sie nimmt Beckett’s Monolog auseinander und bricht ihn auf, wiederholt, arbeitet am Klang der Silben. Das Ensemble tritt bald hinzu und das Stück nimmt weitere dramatische Fahrt auf. Es folgen Teils verrückte Kämpfe und mit allerlei Gegnern (dem Ensemble, sich selbst, dem Tonband) und auch intime zurückgenommene Momente – fast als tut sich eine Oper vor uns auf.


Programm


Shuya Xu

Les feuilles de l'automne 

für Ensemble, 2015

 

George Aperghis

La Nuit en tête 

für Sopran und sechs Instrumente, 2000


Mirela Ivičević

Case Black 

für Ensemble und Elektronik, 2016

 

PAUSE


Reinhold Schinwald

membra disiecta 

für Kontrabassklarinette, Zuspielung und Live-Elektronik, 2016/2017

Stimme und Text : Gina Mattiello

 

Agata Zubel

Not I

für Stimme, Ensemble und Elektronik, 2010

Text: Samuel Beckett

 

DIRIGENT

Michael Wendeberg

 

SOLISTIN

Agata Zubel, Stimme



Ensemble PHACE

Doris Nicoletti, Flöte

Markus Sepperer, Oboe

Walter Seebacher (Schinwald), Klarinette

Scott Lygate, Klarinette

Spiros Laskaridis, Trompete

Stefan Obmann, Posaune

Thomas Wally, Violine

Roland Schueler, Violoncello

Margarethe Maierhofer-Lischka, Kontrabass

Mathilde Hoursiangou, Klavier

Berndt Thurner, Perkussion

Samuel Toro Perez, E-Gitarre

Ursula Fatton, Harfe

Alfred Reiter, Elektronik/sound design



Dom im Berg - Schlossbergsteig Graz, 8010 Graz

  19:00 Einlas

  19:30 Einführung, 

  19:45 Konzert


Eintritt : Frei bis 16 Jahre/Kulturpass,  Nur Abendkasse

   € 10 SchülerInnen/StudentInnen 

   € 25 Erwachsene